Am Freitagabend fand das erste Zürcher Derby der Saison statt. Neben den eindrucksvollen Choreografien beider Fankurven und dem Sieg der Klotener nach Penaltyschiessen sorgte eine gross angelegte Protestaktion gegen Kollektivstrafen für Aufsehen. Wieso wurde ausgerechnet das Zürcher Derby, ein Spiel voller Rivalität und Feindschaft, Schauplatz einer der bislang grössten Protestaktionen zwischen Heim- und Auswärtsfans?
Sollen die Stadien in Zukunft so aussehen?
Im ersten Drittel zeigten die Fans eindrucksvoll, wie es aussehen könnte, wenn die Repression gegen sie weiter verschärft wird. Rund die Hälfte der Fans verliessen für zehn Minuten die Stehplatzkurven. Der akustische und visuelle Support der Fankurven blieb aus. Das Geschehen auf dem Eis wirkte trist und beinahe bedeutungslos. Die Partie im Schluefweg verwandelte sich gefühlt in ein Geisterspiel.
Im Gästeblock der Zürcher hing ein Spruchband mit der Aufschrift „Söll in Zuekunft s’Stadion“ und wurde von Klotener Seite ergänzt mit: „nöd so usgseh, muess d’Liga vo Kollektivstrafe abseh! (Pro Fans)“.
In der 15. Spielminute kehrten die Fans zurück auf ihre Plätze und sorgten Sekunden später wieder für die typische Derby-Stimmung. Kurz vor der Drittelpause unterstrichen weitere Spruchbänder die Botschaft des Protests: „Nur mit de Fans“ stand im Zürcher Sektor und bei Klotener „isch s’Derby öppis bsundrigs! (Pro Fans)“. Nur zehn Minuten reichten aus, um allen Anwesenden die Bedeutung der Fankultur und die Auswirkungen der Repression aufzuzeigen.
Wieso verbünden sich rivalisierende Fankurven für Protestaktionen?
Normalerweise pflegen gegnerische Fanlager keine positiven Beziehungen zueinander – insbesondere nicht mit dem Derbyrivalen. Doch aktuell schliessen sich Fankurven im Schweizer Eishockey immer häufiger zusammen, um gegen die Massnahmen der National League zu protestieren. Das sogenannte Kaskadenmodell, das Kollektivstrafen ohne klare Regeln verhängt, greift tiefer in die Rechte der Fans ein, als jemals zuvor. Die vielschichtigen und willkürlich anwendbaren Strafen gefährden die Fankultur. Um ein starkes Zeichen gegen Kollektivstrafen zu setzen, legten die Fans beider Clubs für einige Minuten ihre Differenzen beiseite.
Wieso wehren sich Fans gegen Kollektivstrafen?
Ein treffender Vergleich bietet die Autobahn: In der Schweiz werden täglich Hunderttausende Kilometer auf Autobahnen zurückgelegt, und Übertretungen sind keine Seltenheit. Wird man erwischt, trägt man die Konsequenzen, abhängig von der Schwere des Vergehens – von kleinen Bussen bis zu Gefängnisstrafen. Wichtig ist: Bestraft wird nur, wer auch eine Straftat begangen hat.
Unabhängig von der Schwere eines Unfalls oder einer Übertretung wird die Autobahn nicht als Strafe für alle anderen Verkehrsteilnehmer gesperrt. Auch werden nicht alle bestraft, die ein gleichfarbiges Auto fahren oder aus demselben Kanton stammen wie der Unfallverursacher.
Im Eishockey sieht das jedoch anders aus: Wenn eine Einzelperson eine Straftat begeht, kann die Liga eine Kollektivstrafe basierend auf dem genannten Kaskadenmodell verhängen – ohne Prozess, Anklage oder Beweis. Im Reglement ist festgehalten, dass immer die „mildeste und zielführendste“ Strafe angewendet werden muss (Quelle: Reglement Sicherheit und Ordnung, Artikel 8, Absatz 6). In der Praxis wird jedoch die erste Stufe, „Einheitliche und konsequente Eintritts- und Sicherheitskontrollen“, kaum angewendet. Stattdessen springt die Liga meist direkt zur Stufe 2 („Umsetzung von Verboten“) oder selten zur Stufe 3 („Zutritt mit ID-Kontrolle“).
Zudem ist das Kaskadenmodell ein undurchdachter Schnellschuss der Liga. Wird eine Kollektivstrafe verhängt, bleibt oft unklar, für wie viele Spiele sie gilt und welche Massnahmen erforderlich sind, damit sie wieder aufgehoben wird.
Kollektivstrafen kollektiv in der Kritik
Kollektivstrafen haben absolut nichts mit der Verhinderung schwerer Gewalttaten zu tun und sie sind das Spielzeug von politischen Hardlinern. Präventive Ansätze fehlen auf allen Stufen des Kaskadenmodells. Das sieht auch die Forschung so. Hier geht man sogar davon aus, dass Kollektivstrafen genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie beabsichtigen. (Quelle: SRF News)
Rivalität gehört zum Derby, wie die Stimmung in die Fankurven, ohne die es kein Derby ist. Kollektivstrafen sind veraltete, sinnlose und nicht zuletzt verbotene Massnahmen, die zu 99% unschuldige Personen sanktionieren.
Das aktuelle Beispiel im Schweizer Eishockey verdeutlicht, wie sich sogar rivalisierende Fankurven solidarisieren, um die Fankultur zu erhalten und gegen Repressionen zu kämpfen. Hockey gehört den Fans im Stadion. Nicht jenen, die darin ein Produkt zum Vermarkten sehen und auch nicht politischen Hardliner:innen, die Repression als Sprungbrett für ihre Karriere nutzen.
Für die Fans, für den Erhalt der Fankultur und genau gegen solche Formen der Repression kämpfen Fans im Projekt «Pro Fans». Hier findest du weitere Aktionen und ihre Forderungen.